Nach jahrzehntelangen Diskussionen in der Europäischen Gemeinschaft und später in der Europäischen Union über die Erschaffung eines "Gemeinschaftspatents" hat nun eine neue Form das Licht der Welt erblickt: das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (Unitary Patent). Es unterliegt zwei Verordnungen und dem Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ), welches national noch ratifiziert werden muss. Derzeit haben die EU-Staaten Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Malta und Schweden das Übereinkommen ratifiziert.
Das Unitary Patent der EU – ein gänzlich neues System des Patentschutzes? Falsch gedacht. Denn am Erteilungsverfahren der europäischen Patentanmeldung zum europäischen Patent ändert sich nichts, vgl. Art. 2 EPC (European Patent Convention, zu Deutsch EPÜ).
Nach der Veröffentlichung der europäischen Patenterteilung hat der Inhaber einen Monat Zeit, eine einheitliche Wirkung für die teilnehmenden Staaten beim Europäischen Patentamt zu beantragen.
Die einheitliche Wirkung erstreckt sich auf die EU-Länder mit Ausnahme von – soweit derzeit absehbar – Spanien, Kroatien und Polen.
Beantragt der Patentinhaber die einheitliche Wirkung nicht, bleibt es beim bisherigen europäischen Patent gemäß EPC, welches in gewohntem Gang in den gewünschten Staaten validiert wird, vgl. Art. 65 EPC. Auch für Nicht-EU-Staaten bleibt diese Regelung bestehen (z. B. CH, TR und NO).
Verwalter der Anträge, Jahresgebühren und des Registers für die Unitary Patents ist das Europäische Patentamt.
Zu den Jahresgebühren wurde Ende Juni 2015 der Vorschlag "True Top 4" des Europäischen Patentamtes für das Unitary Patent (UP) vom Verwaltungsrat genehmigt. Der Vorschlag "True Top 4" über die jährlichen Beträge, die das Hoheitsgebiet der 25 teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten abdeckt, entspricht der Pro-Jahr-Addition der vier nationalen Jahresgebühren für jedes Jahr in den vier Ländern, in denen derzeit am häufigsten validiert wird (Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich und Niederlande). Die Gesamtsumme über 20 Jahre wird sich dann auf ca. EUR 35.000 belaufen.
Ein Vergleich der gegenwärtigen Jahresgebühren mit den kommenden Jahresgebühren der "True Top 4" erbringt folgendes Ergebnis ...
Die Grafik macht den steileren Anstieg ab Jahr 10 deutlich. Verglichen mit den Jahresgebühren des EPA (vor der Erteilung) ist erst das zwölfte UP-Jahr teurer als die Jahresgebühr für die nicht erteilte EP-Anmeldung. Wird das europäische Patent im Jahr 7 erteilt, fällt die Jahresgebühr für das achte UP-Jahr von EUR 1.155 (EP – 7. Jahr) auf EUR 815 (UP – 8. Jahr). Ab dem zwölften Jahr ist der Sprung der nächsten Jahresgebühr ein Aufwärtssprung, z. B. von EUR 1.560 (EP) im elften Jahr auf EUR 1.775 (UP) für das zwölfte Jahr.
Wir vermuten, dass das EPA bei der Berechnung des Vorschlags "True Top 4" die nationalen Gebührenstände und den Kurs GBP/EUR aus Januar 2015 verwendet hat. Die errechneten Gebühren wurden wohl auf Beträge, die mit 5 oder 0 enden, auf-/abgerundet. Eine Überarbeitung der Jahresgebühren soll nach vier Jahren möglich sein.
Wie der Name schon verrät, ist das Unitary Patent in seinem Bestand und seiner Durchsetzung einheitlich. Es kann nur mit Wirkung für alle Staaten beschränkt, übertragen oder für nichtig erklärt werden, oder eben verletzt werden. Lizenzen können indes territorial begrenzt werden.
Ein Vorteil des Unitary Patent ist, dass das Übersetzungserfordernis nach der Erteilung entfallen wird, wobei im Falle eines Verletzungsstreits der mutmaßliche Verletzer oder das zuständige Gericht eine vollständige manuelle Übersetzung einfordern kann. Maschinelle Übersetzungen aller Amtssprachen der Mitgliedsstaaten des EPC stehen für europäische Patente zur Verfügung (Patent Translate). Vorerst gilt aber noch eine Übergangsphase (welche bis zu zwölf Jahren dauern kann), innerhalb welcher eine Übersetzung der Patentschrift entweder in englischer Sprache oder, sofern Englisch die Verfahrenssprache ist, in einer anderen Amtssprache der EU eingereicht werden muss, dies innerhalb der Frist zur Beantragung der einheitlichen Wirkung des europäischen Patents.
Es wird ein einheitliches Patentgericht (EPG) errichtet. Man arbeitet derzeit an der gemeinsamen Verfahrensordnung.
Die Zentralkammer des Gerichts erster Instanz mit Sitz in Paris verfügt über Zweigstellen in London und München; das Berufungsgericht wird seinen Sitz in Luxemburg haben. Das EPG ist ausschließlich zuständig für Streitigkeiten um das Unitary Patent und für europäische Patente (nur für EU-Länder), auch europäische Patente, die vor Inkrafttreten des EPGÜ erteilt wurden.
Für ein europäisches Patent ohne einheitliche Wirkung besteht, solange es nicht beim EPG anhängig ist, die Option, das nationale Gericht dem EPG vorzuziehen (Opt-Out). Diese Opt-Out-Erklärung kann auch wieder zurückgenommen werden (als ein Opt-In). Den Opt-Out- und Opt-In-Weg wird es zeitlich begrenzt geben (derzeit sind sieben Jahre geplant, diese Frist ist aber verlängerbar).
Quelle: http://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:EUpatent.svg
Stand: 20. Juli 2015